Exakte Reproduktion

Gall`scher Schädel

FH JOANEUM Replikat

"Die Anwendung moderner 3D-Druck-Technologie eröffnet der Anatomie neue Wege im Zusammenhang mit der Konservierung wertvoller Sammlungsbestände. Zum einen können exakte Kopien von einmaligen und unwiederbringlichen Präparaten oder Modellen erzeugt werden, die im öffentlichen Raum zur Ausstellung kommen. Dies ermöglicht eine Lagerung der eigentlichen Objekte unter idealen Bedingungen, z.B. auch dem Ausschluss von Sonnenlicht. Grundlage für derartige Scans sind in unserem Fall hochwertige 3-D Scans, welche wir gemeinsam mit unseren Forschungspartnern der FH Joanneum, Prof. Helmut Ritschl und Daniel Pölzl, anfertigen durften. Grosser Dank gebührt der TEILEFABRIK der alphacam austria GmbH für die grosszügige Unterstützung in der Umsetzung dieses Forschungsvorhabens"

Prof. Dr. med. habil. Niels Hammer
Lehrstuhlinhaber Makroskopische und Klinische Anatomie
Medizinische Universität Graz
www.anatomie.medunigraz.at

Parameter Oberflächenscan

Die Erstellung von 3D-Modellen durch photogrammetrische Rekonstruktionen wie diesen Gall’schen Schädel beginnt mit der Aufnahme zahlreicher hochauflösender Fotografien aus verschiedensten Winkeln, die sich überschneiden. Diese Bilder werden in eine spezielle Software importiert, die mithilfe leistungsstarker Computer charakteristische Merkmale erkennt und die Kamerapositionen rekonstruiert, um eine initiale Punktwolke zu erzeugen. Diese Punktwolke wird verfeinert und in ein detailliertes polygonales Mesh umgewandelt, das anschliessend texturiert wird, um ein realistisches Erscheinungsbild zu erzielen. Diese Modelle sind wertvoll für Forensik, Archäologie und Medizin sowie deren Qualitätssicherung, da sie detaillierte Studien und virtuelle Rekonstruktionen ermöglichen.

Daniel Pölzl
FH Joanneum.

Franz Joseph Gall und die Erfindung der Schädellehre (Phrenologie)

Michael L. Pretterklieber
Franz Joseph Gall und einer seiner von ihm analysierten Schädel [1]

Franz Joseph Gall (1758-1828) [1, 2] wollte – so wie vor ihm Johann Caspar Lavater (1741-1801) [3] und gleichzeitig mit Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) [4], mit dem er direkt in Verbindung stand, folgendes Problem lösen: wie kann man aus dem Äusseren eines Menschen auf seine Charaktereigenschaften schliessen? Da man damals schon wusste, dass das wachsende Gehirn den Schädel formt, war es für ihn naheliegend, die Schädelform und hier wiederum besondere Vorsprünge oder Einbuchtungen am Knochen als Indiz für bestimmte positive, aber auch negative Eigenschaften eines Menschen zu sehen. Daraus entwickelte er die Gehirn- oder Schädellehre, die er ab 1796 in Wien öffentlich vortrug. Da seine Lehre der Obrigkeit zu materialistisch erschien, wurde ihm das Vortragen ab 1802 untersagt und er musste Wien verlassen. Über Halle, wo er – wie oben schon gesagt – mit Goethe zusammentraf und Berlin kam er schliesslich nach Paris. Die Mitglieder der dortigen Akademie der Wissenschaften fanden bald die Irrtümer seiner Lehre heraus und so war ihm auch dort kein Glück beschieden. Er übte seine Arztpraxis weiter aus und starb 1828 in Montrouge nahe Paris. Seine Schädelsammlung, auf der seine Lehre beruhte, vermachte er der Badener Arztfamilie Rollett. Mit Alexander Rollett (1834-1903) [2] wurde ein Mitglied dieser Familie der erste Professor für Physiologie in Graz. Gemeinsam mit dem Anatomen Julius Planner von Plan (1827-1881) plante er das neue Institutsgebäude in der Harrachgasse, das beide ab 1870 benutzen konnten. Durch diese auch örtliche Nähe kam offensichtlich einer der Gall’schen Schädel in die anatomische Sammlung und wird hier auch noch heute aufbewahrt. Um dieses geschichtsträchtige Präparat einer grösseren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und es dabei zu schonen, wurde davon ein 3D-Druck angefertigt.
Die Erstellung des 3D-Modells dieses Gall’schen Schädel erfolgte am Institut für Radiologietechnologie an der FH Johanneum durch Daniel Pölzl und Helmut Ritschl. 

Daniel Pölzl beschreibt den dafür notwendigen Vorgang wie folgt [5]. Das Generieren dreidimensionaler Modelle durch photogrammetrische Rekonstruktionen wie von diesem Schädel beginnt mit der Aufnahme zahlreicher hochauflösender Fotografien aus verschiedensten Winkeln, die sich überschneiden. Diese Bilder werden in eine spezielle Software importiert, die mithilfe leistungsstarker Computer charakteristische Merkmale erkennt und die Kamerapositionen rekonstruiert, um eine initiale Punktwolke zu erzeugen. Diese Punktwolke wird verfeinert und in ein detailliertes polygonales Netz umgewandelt, das anschliessend texturiert wird, um ein realistisches Erscheinungsbild zu erzielen. Diese Modelle sind wertvoll für (gerichts)medizinische und archäologische Fragestellungen sowie deren Qualitätssicherung, da sie detaillierte Studien und virtuelle Rekonstruktionen ermöglichen. Damit kann zerstörungsfrei auch die Binnenstruktur eines Knochens analysiert werden.
 

Referenzen:

  1. Schönbauer, L., Das Medizinische Wien. 1944, Wien: Urban & Schwarzenberg.
  2. Anonymous Alexander Rollett. https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Alexander_Rollett&oldid=231622094. 2024.
  3. Anonymous Johann Caspar Lavater https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Johann_Caspar_Lavater&oldid=245029558. 2024.
  4. Anonymous Johann Wolfgang von Goethe. 2024.
  5. Pölzl, D., 3D-Modelle durch photogrammetrische Rekonstruktionen 2024, FH Johanneum: Graz.
Projektdaten
  • Stratasys J850 Prime PolyJet Vollfarb-3D-Drucker
  • Material: Vero-Familie
  • Gewicht: ca. 3 kg

Das Modell wurde mit einem Stratasys J850 Prime PolyJet 3D-Drucker gefertigt. Durch seine hohe Präzision und die Vielzahl an verfügbaren Materialien lassen sich Modelle herstellen, die dem Original exakt entsprechen.